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Reisebericht: "Rajalta Rajalle Hiihto" 2012 (10.03.-18.03.12)

„Finnland - einmal querdurch“:
Impressionen von der großen Finnland-Durchquerung auf Langlauf-Skiern (4.Durchgang 2012), für alle „Nachahmungstäter“ - Tervetuloa Suomi! Ein Reisebericht von Matthias Kunz

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1.Etappe Paljakka – Petäjälampi (Kuusamo) 61 km.

Per Bus geht es in der Frühe vom Oivanki Center bei Kuusamo ca. 1 Stunde in Richtung russische Grenze. Irgendwo im Nirgendwo werden wir abgeladen. Aha, ein gelbes Schild „Start“ signalisiert den Beginn des großen Laufs. Nun wird es Ernst – hoffentlich sind die Ski gut gewachst. Nach den ersten Metern stehen schon die ersten Läufer und wachsen nach. „Völlig daneben gelegen“. Man hat mit tieferen Temperaturen gerechnet, jetzt aber um den Gefrierpunkt laufen die Ski mit diesem Wachs nicht gut. Also noch mit dem entsprechenden Temperaturbereich drübergewachst. Es geht bergab und dann auf recht schmaler Piste kurvig durch Wald, über einen See, dann ein steiler Anstieg. Im Grätschschritt hinterdrein. Nicht schlecht zu Beginn - Finnland ist nicht flach! Oben entschädigt ein weiter Blick über schier unendliche Wälder und Berge bis nach Russland. Viele haben zu kämpfen mit dem Auf und Ab, manche stürzen. Dann geht es an einer einsamen Straße entlang bis zum in 20 km Entfernung gelegenen ersten Verpflegungspunkt. Es gibt warmen roten Saft (finnisch: Mehu). An der Mittagsrast dann belegte Brote, Gurken, Schokolade. Weiter bei Sonnenschein, vorbei an einer großen Schneefrau. Nochmals Rast in Uttusuo im Skigebiet Rukatunturi, dann schnurgerade entlang einer Stromtrasse. Aufwärmen im Kindergarten Nissinvaara. Die Beine schmerzen schon, nur noch 7 km. Endlich das Ziel: Petäjälampi bei Kuusamo, wir sind in Hütten des Hotels Tropikki untergebracht. Die tropische Sauna-und Badlandschaft entschädigt uns für die Tagesstrapazen. Reichliches Buffet, Info von Skiguide Thomas und ab in die Falle.


Am Start nahe der russischen Grenze   Mittagsrast in Virkkula 
Anstieg in Grätsche bei Paljakka  An der Schneefrau 

2.Etappe: Petäjälampi – Jokijärventie (Taivalkoski) 60 km

Heute sind es „nur“ 60 km. Das sollte doch wohl zu schaffen sein. :-) Es geht los über einen im 2.Weltkrieg von Zwangsarbeitern angelegten, ehemaligen Bahndamm. 30 km schnurgeradeaus. Lecker schmeckt die Lachssuppe in der eigens für uns aufgebauten Finnenkotta. Das Läuferfeld hat sich weit zerstreut. Ganz allein laufe ich die nächsten 30 km weiter, landschaftlich sehr schön durch hügelige Wälder, entlang eines Sees und durch ein großes Birkenmoor, in dem viele Tierspuren die Anwesenheit von Hasen, Füchsen, Hermelinen und jede Menge Elchen verraten. „Heute Morgen ist hier eine Elchfamilie mit 5 Exemplaren durchgezogen“, erzählt mir ein Finne am Verpflegungsstopp Lemetti. Tja, ich sehe nur noch die tiefen Abdrücke der Hufe im Schnee… Auf den letzten 22 km bläst der Wind ordentlich, es geht durch Wald mit sehr plötzlichen und steilen Abfahrten. Dann steht der Bus am Ziel in Jokijärventie, der uns in Schüben nach Taivalkoski ins Hotel Herkko bringt. Buffet und Sauna warten schon!


Auf dem alten Bahndamm 

Finnenkota außen ...   ... und innen 

Tierspuren im Birkenmoor 

3.Etappe: Taivalkoski – Pikku Syöte 60 km

Direkt vom Hotel aus steigen wir wieder in die Spur, das Wetter ist zunächst super, Sonne pur! Vorbei an einer Sprungschanze und durch Wald, dann entlang der Straße Kuusamo-Oulu bis zur Tankstelle Ooka Stoppi, wo es Verpflegung, Kaffee und Saft im Warmen gibt. Am Ylimmäinen-See werden wir mit einem aus Fichtenzweigen gelegten „Tervetuloa“ begrüßt. Sehr einladend! Ein Unglückshäher (finnisch: Kukkeli) umschwirrt den Rastplatz- na das will doch nichts heißen? Rolf hat mir am Vorabend von einem Berg erzählt – jetzt, da es stetig nach oben geht, muss er das wohl sein. Das Wetter hat sich verschlechtert, Schneetreiben setzt ein. Tiefer Fichtenwald ringsum, ich bin wieder mal ganz allein. Wenn man nicht wüsste, vor und hinter einem sind Leute auf der Route, könnte es einem an manchen gar zu einsamen Stellen schon bange werden. Das Gipfelplateau ist erreicht, Abfahren in der zugewehten Spur ist jedoch nicht wirklich möglich. Also auf die nebenliegende Skatingbahn ausgewichen, das geht zumindest einigermaßen. Die Schneebrille ist total zu, kein Durchblick mehr. Am anderen Fuße des Berges wartet zum Glück ein schönes finnisches Holzhaus auf uns. Mächtige Kiefernbalken und ein großer Ofen verbreiten urige Stimmung in dem Haus. Die Besitzer führen uns herum und erklären. Das Gästebuch zeugt von vielen mir bekannten Skiläufern, die die Tage aus den 3 Durchgängen vor mir da waren und sich verewigten. Die letzten 20 km durch ein Waldgebiet ziehen sich. Das Tages-Ziel, der Ski-Abfahrtsberg Pikku-Syöte, ist zwar schon zum Greifen nah, doch die Loipe greift immer wieder in Schleifen weit aus, als ob sie uns zum Schluss nochmal ärgern wollte. Dann endlich - per Skilift geht’s denn Hang rauf zum Hotel Syötekeskus direkt auf dem Bergplateau. Nach Essen, Sauna und Info noch eine kleine Einführung mit schönen Bildern zum Syöte-Nationalpark, durch den wir morgen fahren werden. Ich lasse die Ski professionell wachsen, morgen steht mit 86 km die längste Etappe an, da müssen die Brettl optimal laufen! „Vamos manana, la etapa reina!“, ruft mir Joaquin aus dem Baskenland zu. „Si vamos, pero pienso no voy a hacer hasta al fin“, entgegne ich scherzhaft.


Tervetuloa am Ylimmäinen-See  Kleine Skifahrer 
Im Schneetreiben auf der Bergetappe  Stopp an der weißen Villa 

4.Etappe: Pikku Syöte – Ranua 86 km

Heute geht’s früh raus, 7.30 Uhr ist Abfahrt per Bus. Aber warum in den Bus steigen, wenn sich als erstes eine tolle Abfahrt auf einem Skiweg den Berg hinunter anbietet? Also auf, bei glasklarem Wetter und mit dem eisigen Morgenwind um die Nase zu Tal gesaust. Unten biegt man wieder in die Loipe ein - es geht vorbei am zweiten und größeren Ski-Berg Iso-Syöte und dann hinein in den märchenhaft tief verschneiten Naturwald des Syötteen kansallispuisto. An der Rasthütte Ahmatupa begegnen wir einem Finnen auf riesigen Telemark-Skiern - wie sie hier abseits der gespurten Loipe im Gelände unerlässlich sind. Er erzählt von einem Vielfraß, der die Gegend unsicher macht… Immer wieder muss ich stehen bleiben, um die Stimmung an der Spur bildlich einzufangen. Die schlanken Fichten wirken wie Kerzen – bis zur Spitze in Schnee eingehüllt. Bald passieren wir eine Rentier-Fütterung, in deren Nähe auch einige Tiere im Schnee liegen. Von diesem Punkt auf einem Berg schweift der Blick über schier unendliche ebene Wälder, die wir heute noch zu durchqueren haben – immerhin sind es noch 65 km ins Etappenziel Ranua. Es folgt eine knackige Abfahrt mit vielen Bodenwellen, dann steuern wir auf den nächsten Stopp Rytinki zu. Schulkinder begrüßen uns mit Plakaten und hängen uns selbstgebastelte Rajalta Rajalle-Medaillen um, eine hübsche Geste. Die folgenden 18 km bis zur Mittagsrast in einer Kotta sind in Wahrheit 21 km – oder sinds mal wieder finnische? Die leckere Gemüsesuppe stärkt, also gehe ich die verbleibenden 39 km an. „Ob wir das schaffen?“, fragen sich Ulf und Marco, es ist schon 14 Uhr und eigentlich muss man um 17 Uhr den letzten Kontrollpunkt passiert haben, um nicht von der Strecke genommen zu werden. Knapp wird’s auf jeden Fall. Wieder jede Menge Wald, Sümpfe und Seen, über die der Wind ordentlich bläst. Es zieht sich sehr, die Beine laufen quasi nur noch mechanisch. Es dämmert bereits, als mich 16 km vorm Ziel der hinter dem Tross fahrende Motorschlitten einholt. Man rät mir, aufzusteigen, doch ich möchte zumindest noch bis zum letzten Stopp Kuha durchfahren. Skifahrer Frank, der schon mit dem Gefährt mitgefahren ist, fühlt sich dadurch angespornt und steigt auch wieder auf die Ski um. In Kuha ist dann aber für uns nach 77 km wirklich Schluss für heute, der Bus steht schon und wartet, um uns ins Hotel Ilveslinna nach Ranua zu bringen. Die müden Glieder bedanken sich sehr …


Die Passauer Truppe vor der Abfahrt von Pikku Syöte   Los Espanoles 

Im Märchenwald des Syöte-Nationalparks  

Begrüßung durch finnische Kinder in Rytinki  Abendessen im Hotel Ilveslinna 

5.Etappe: Ranua - Hosio 47 km

Heute steht die „Erholungsetappe“ mit 44 km auf dem Plan, die sich dann aber doch als mindestens 47 km entpuppen. Nach dem obligatorischen Gruppenfoto hinterm Hotel laufen wir über den zugefrorenen Ranuanjärvi, vorbei am Zoo und wieder durch lichten Kiefernwald bis zur ersten Station Kivijoki, wo wir uns zünftig am Feuer Würstchen am Spieß braten. Zwar nicht zu vergleichen mit echten Thüringern, aber es mundet trotzdem. Auf dem weiteren Weg an einer jähen Abfahrt auf einen vereisten Forstweg kann ich das Gleichgewicht nicht mehr halten und lande hart am Boden. Es ging mir nicht allein so, wie ich später erfahre. In Ruona begrüßt uns ein kostümierter Eisbär. Dann sind es noch 12 km bis zur ehemaligen Schule in Hosio am Simojoki, die für die nächste Nacht unser „Massen“-Quartier sein wird. Skifahrer sind hart im Nehmen, doch nachdem sich der Schlafsaal des Nachts in eine regelrechte Schreinerwerkstatt verwandelt hat, sucht so mancher das Weite …


Gruppenfoto am Ranua-See 

Auch Skiguide Thomas brät sich sein
Würstchen am Feuer  
Nanu, ein Eisbär in Finnland? 

6.Etappe: Hosio - Honkamaa 57 km

Meteorologe Klaus hat es am Abend angekündigt: das ski-ideale Wetter mit Gefrierpunkt-Temperaturen und ohne Niederschlag ist vorerst vorbei, es gibt deutliche Plusgrade, also Tauwetter, dazu starker Wind. Alle sind „begeistert“. Start mit Abfahrt auf den Simojoki. Man merkt es gleich – in der nassen Spur laufen die Ski gar nicht gut. Nach 21 km gibt’s wieder Würstchen am Feuer, diesmal schon vorgegrillt. Busguide Silke ist da und muntert uns auf. Das haben wir auch nötig, denn heute unter diesen Bedingungen ist das Skifahren eher eine Qual denn ein Spaß. Dann fängt noch dazu mein Schienbein an, immer schlimmer zu schmerzen. Doch was nutzts, weiter, weiter … „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“, meint Rita von der Paderborner Truppe. Ich kann ihr nur beipflichten. Karin berichtet von ihrer Begegnung mit einem Vielfraß, der vor ihr in mächtigen Sätzen die Loipe querte. Na das passiert auch nicht alle Tage… Schließlich zieht die Temperatur in den Abendstunden wieder an, und die späte Sonne beschert uns noch einmal richtig schöne Abendstimmung. Ein Schild mit der Aufschrift "Tornio – 70 km" trägt nicht gerade zur End-Motivation bei. Sind es wirklich noch so viel morgen? Zur Info werden wirs hören. Endlich komme ich gegen Sechs total gerädert im Dorf Honkamaa an, wo ich schnell ein Teller Suppe esse, bevor der Bus zur benachbarten Unterkunft in Kivalo fährt. Wieder Schlafsaal in einem schönen herrschaftlichen Holzhaus, ich entdecke jedoch eine kalte, aber ruhige Abstellkammer als Rückzugsort. Die Sauna – hier übrigens die einzige Waschmöglichkeit mit Wasser aus Bottichen - belebt die müden Glieder allmählich. Interessant das stille Örtchen: 3 Lokusse nebeneinander ohne trennende Wände laden zur Gemeinschaftssitzung ein – wie vor 100 Jahren. Zur Info dann das Aufatmen: es sind nur noch 52 km bis ins Ziel zu fahren. Wegen schlechter Schneeverhältnisse an den Flussmündungen und im Ostseeraum ist die finale Strecke verkürzt worden. Trotzdem lasse ich die Ski nochmal wachsen und finnisch klistern, um mich nicht wieder so quälen zu müssen. In der Nacht bietet sich uns dann ein faszinierendes Naturschauspiel: Der Sternenhimmel wird vom Nordlicht überzogen. Dazu heulen in der Ferne Huskies (oder Wölfe?) – schaurig schön!


Start in Hosio über den zugefrorenen Simojoki  Paderborner Truppe im gleichen Look 
Abendstimmung bei Kivalo  Schlafsaal im Herrenhaus Kivalo 

7.Etappe: Honkamaa – Raumonjärvi (Tornio) 52 km

Die finale Etappe! Schon um 06.45 Uhr fährt der Bus zum Frühstück nach Honkamaa ab. Nachdem ich die letzte Schüssel Beerenquark verspeist habe, bemerke ich, dass bis auf 5 Läufer alle schon los sind, lange vor dem eigentlichen Start um 9. Auch die Finnen im Skiraum sind etwas ratlos, wer die dort vermeintlich zurückgebliebenen frisch gewachsten Paar Ski vergessen hat – es sind meine. Ich gehe den letzten Tag lieber ruhig an. Die Ski laufen gut, doch bald schon setzt Schneegestöber ein. Es geht in vielen Bodenwellen auf und ab durch romantischen Altwald. Die Abfahrten fetzen richtig, doch bergauf pappts nun ordentlich durch den Neuschnee. Trotzdem geht’s 100 % besser als gestern und ich komme gut voran. Bei km 35 wartet ein Schmankerl – am Feuer gebackene Waffeln mit Marmelade, ein Genuss! Über den Kemijoki werden wir per Taxi transportiert, da die Eisdecke für ein Befahren mit Ski zu dünn ist. Wieder Kaffee und Brötchen im Café Kallinkangas. Heute geht’s uns nochmal richtig gut. Gut gestärkt schiebe ich mich großteils durch die Spur in Birkenwald und über eine breite Stromtrasse. Am letzten Verpflegungspunkt an einer Kotta gibt’s sogar Elchfleisch zum Kosten. „ Ca va?“, fragt mich Catherine aus Paris. „Bien, pratiquement ca y est! Noch 7 km ins Ziel. Die Zivilisationsgeräusche werden lauter, man spürt das Nahen einer großen Ansiedlung. Es geht mitten durch einen großen, in Betrieb befindlichen Steinbruch. Dann endlich der Zieleinlauf an der Straße am Raumonjärvi (bis nach Tornio erlauben es die Schneeverhältnisse nicht). Eine junge Truppe macht mit Olé, Olé - Rufen, Pauken und Rasseln für jeden Finisher Bamboule. Ich durchquere nach 440 km quer durchs winterliche Suomi auf Skiern die Ziellinie – über mir flattert das Band „Maali“- Ziel auf Finnisch. Ein gutes Gefühl! Der Bus bringt uns ins City-Hotel Tornio. Zum Abendessen gibt’s deftige Schnitzel, genau richtig. Dann folgt noch die Abschlussveranstaltung mit Übergabe der Urkunden, Medaillen und Kulturbeiträgen aus den Ländern der Teilnehmer. Wir haben uns entschieden, als deutschen Beitrag zu Ehren der Organisatorin Anitta Jaakola den Schlagersong „Anita“ rajaltarajallemäßig umzudichten und im Chor mit Gitarrenbegleitung vorzutragen. Das Vorhaben gelingt und Anita ist (hoffentlich :-) ) gerührt. Sie selbst ist auch sehr froh, alle Skifahrer aus den 4 Durchgängen wohlbehalten und ohne größere Blessuren am Zielpunkt zu haben. RR 2012 ist Geschichte – der nächstjährige Jubiläumslauf 30. Rajalta Rajalle Hiihto kann kommen!


Bis Tornio sinds doch nicht mehr ganz 70 km  Der Zieleinlauf! 
Flaggen am Ziel Raumonjärvi  Tornio am Tornionjoki und an der schwedischen Grenze 

Dankeschön für unsere Guides Thomas und Silke sowie für die Busfahrer 

„Finnland - einmal querdurch“
Reisebericht von Matthias Kunz

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