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Eine Art Dank an die Wüste

(Reise in den Sinai über Ostern 2007
zu den Alwan Djibal, den Farben der Berge)

Reiseleiter:

Sam Baioumy



Brennend heißer Wüstensand.
Fern, so fern dem Heimatland.
Kein Gruß, kein Herz,
kein Kuss, kein Scherz.
Alles liegt so weit, so weit.

Der Schlager trägt den Titel „Heimweh“, gesungen wird er von Freddy Quinn und im Hintergrund steht ein Chor von drei Frauen, der den Refrain singt: So schön, so schön war die Zeit. Man muss die Melodie und Freddys tiefe Stimme im Ohr haben, die manches Frauenherz auch ohne brennend heißend Wüstensand dahinschmelzen ließ, und man muss vor Augen haben, wie die Frauen im Rhythmus wiegen und alle drei gemeinsam den linken Arm nach vorne wippen: So schön, so schön war die Zeit. – Wir schreiben das Jahr 1960, so ungefähr.

Und jetzt Nuweiba, ausgesprochen Nuewa, eine junge Touristensiedlung am Golf von Akaba, etwa 150 Kilometer nördlich von Sharm-el-Sheik. Ein Camp, bestehend aus Strandhütten, immer fünf im Kreis, in der Mitte ein kleiner Platz. Neun Frauen, ein Mann stehen nebeneinander, der zweite Mann sitzt und er hat aus einer Holzschublade eine Art Schlagzeug improvisiert. Vor der Gruppe sitzt ein Mann in einem Stuhl, der mit Decken behängt ist, er sitzt ein wenig erhöht, wie auf einem Thron.

Blanke Sterne funkeln hell
(so schön, so schön war die Zeit)
Unsrer hellsten Freude Quell
(so schön, so schön war die Zeit)
Schlaf gut – träum süß –
Schick mir – message.
Schlaflos ist Sams erste Nacht.

Noch sieben weitere Strophen ergießen sich über den Mann auf dem Thron, bis er gegen Ende der Darbietung endlich „überwältigt“ wird, vom Heimweh, vom Abschiedsschmerz, von der Sehnsucht, und eine Träne über seine Wange rinnt. Acht Tage lang hatte er die Gruppe auf die heiligen Berge rund um das älteste Kloster der christlichen Welt und in die Wüsten und Canyons rund um die Oase von Ain Khudra geführt, hatte die Beduinen ausgewählt, die Kamele, das Essen eingekauft und das Wasser. „Viel trinken, jeden Tag mindestens vier Liter Wasser, mittags zeigt mir jeder seine erste leere Flasche.“ Sam also. Und das Lied hieß deshalb auch nicht „Heimweh“, sondern „Play it again, Sam“. Jeden Abend, nachdem alles für den nächsten Tag besprochen war, dieselben Worte: Schlaft gut, träumt süß, und wenn etwas ist, schickt mir eine Message (mit SMS), vergesst nicht, ich bin 24 Stunden für euch da.“ Da fühlten wir uns nicht wie in der Fremde, sondern aufgehoben wie daheim, wie „in Abrahams Wurstkessel“, wie man bei uns in München in meiner Kindheit zu sagen pflegte. Diese Wüste, selbst wenn wir nur ihren Rand betreten haben und selbst wenn uns das Manna nicht vom Himmel regnete, sondern die Beduinen es uns vorsetzten, wird immer das Land sein, das wir durchqueren, um heimzukehren zu den Vätern.

Mir selber war es vergönnt – unerforschlich sind die Ratschläge des Herrn – mit heftigem Bauchgrimmen einen Tag lang unter dem Beduinenzelt zu liegen, direkt vor dem „djebel Mose“, in gleißendem Licht, während die anderen auf den Katharinenberg kletterten. An diesem Tag habe ich nachgedacht über die „Zehn Gebote“, und die Majestät des Berges strahlte auf mich herab. „Du sollst dir kein Bild machen“, ging mir immer wieder durch den Kopf, du sollst dir kein Bild machen, weder von Gott noch von einem Menschen. Der Berg strahlte, und später in der Wüste, da war es wieder: „Du brauchst die Dinge der Welt nicht so festlegen, schau doch wie die Wüste lebt.“

Nach Europa und zu meiner Arbeit zurückgekehrt, merkte ich, wie mich das Wüstenerlebnis nicht verließ. Ich erzählte davon und sah, wie der Glanz der Wüste und des Berges in den Augen der Zuhörer wiedererschienen, sie mir davon sprachen, dass es allen Menschen so gehe, dass die Wüste süchtig mache, dass alle immer wieder hin wollten. Ich weiß nicht, wie es sein wird, glaube eher, dass ich mir auch davon kein Bild machen werde, der Wüste sei Dank.

Und allen die mitfuhren! Denn eine Erfahrung wie meine kann nur aufkommen, wenn die Mitfahrenden füreinander da sind, sich aber auch sein lassen. Als Sam am Morgen unserer Abreise den Bus verließ, war plötzlich der Refrain unseres Lieds in der Luft. Keiner hatte es vorher angeregt, es war nicht geplant: So schön, so schön war die Zeit.

So ist es. Und mach dir kein Bild davon.

Louis Lau


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